Der klassische Werkzeugbau ist ein aufwändiger, zeit- und kostenintensiver Prozess – besonders in frühen Entwicklungsphasen, in denen sich Produkte noch in der Validierung befinden. Mit der fortschreitenden Entwicklung des industriellen 3D-Drucks hält ein neues Paradigma Einzug: Rapid Tooling.
Unter Rapid Tooling versteht man die schnelle Herstellung von Werkzeugen, Formen oder Vorrichtungen mittels additiver Fertigung. Diese Technik macht es möglich, Fertigungswerkzeuge innerhalb von Stunden oder Tagen zu produzieren, anstatt Wochen auf CNC-geschnittene Metallformen warten zu müssen.
In diesem Beitrag zeigen wir, wie Unternehmen durch den gezielten Einsatz von Rapid Tooling Testzyklen verkürzen, Kosten senken und Produktionsprozesse agiler gestalten – von Spritzgussformen bis zu Montagelehren.
Was ist Rapid Tooling genau?
Rapid Tooling (auch „Soft Tooling“ genannt) nutzt additive Verfahren wie FDM, SLA oder SLS, um funktionale Werkzeuge herzustellen. Diese kommen sowohl im Prototyping als auch in Kleinserienfertigung zum Einsatz. Typische Anwendungen sind:
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Spritzgussformen aus Resin oder Metall
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Tiefziehformen für Kunststoffteile
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Montage- und Positionierhilfen
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Bohr- und Fräslehren
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Gussformen für Silikon oder PU
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Pressformen für Kleinserien
Im Gegensatz zum klassischen Werkzeugbau mit gefrästem Stahl entstehen die Rapid-Tools schnell, flexibel und zu einem Bruchteil der üblichen Kosten.
Die zwei Hauptformen von Rapid Tooling
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Direct Tooling
Hier wird das Werkzeug direkt per 3D-Druck erstellt – z. B. eine Gussform im SLS-Druck. Besonders geeignet für einfache Geometrien und geringe Stückzahlen. -
Indirect Tooling
Ein 3D-gedrucktes Urmodell dient als Basis für die Herstellung konventioneller Werkzeuge – etwa beim Vakuumgießen oder der Herstellung von Silikonformen. Sehr präzise und auch für komplexere Teile geeignet.
Beide Varianten verkürzen die Fertigungszeit drastisch – teilweise um 80 % im Vergleich zur konventionellen Werkzeugherstellung.
Vorteile von Rapid Tooling auf einen Blick
Vorteil | Beschreibung |
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Schnelligkeit | Werkzeuge in Stunden oder Tagen statt Wochen |
Kostenersparnis | Kein Fräsen, kein Werkzeugstahl, geringe Rüstkosten |
Iterative Entwicklung | Werkzeuge können schnell angepasst werden |
Inhouse-Fertigung | Unabhängig von externem Werkzeugbau |
Kleinserienfertigung möglich | Ohne Investition in Serienwerkzeuge |
Vielseitigkeit | Für Thermoformen, Gießen, Montagevorrichtungen etc. |
Beispiel: 3D-gedruckte Spritzgussform für Kleinserie
Ein Start-up entwickelt ein Kunststoffgehäuse für ein IoT-Gerät. Eine Serienform aus Aluminium hätte rund 12.000 € gekostet und sechs Wochen benötigt. Mit SLA-gedruckten Formen aus hitzebeständigem Resin konnte das Unternehmen 150 Stück innerhalb einer Woche fertigen – bei nur 800 € Kosten.
Die Formen hielten rund 30–50 Zyklen und wurden bei Bedarf nachgedruckt. So konnte bereits mit dem Produkt am Markt getestet werden, bevor in Serienwerkzeuge investiert wurde.
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Wie diese beschleunigte und kostengünstige Entwicklung nahtlos in die gesamte Produktpipeline integriert wird, erfahren Sie im Beitrag über effiziente Strategien im Rapid Prototyping für moderne Entwicklungsprozesse.
Werkstoffwahl im Rapid Tooling
Die Materialauswahl ist entscheidend für die Lebensdauer und Belastbarkeit der Werkzeuge:
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Resin (SLA): Hochauflösend, für feine Details und moderate Temperaturbelastung
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Polyamid (SLS): Robust, temperaturbeständig, gut für Montagelehren
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FDM mit Carbon-Fill: Hohe Steifigkeit, geeignet für Vorrichtungen
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Aluminium aus Metall-3D-Druck (DMLS): Für langlebige Werkzeuge bei hohen Stückzahlen
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Hochtemperatur-Kunststoffe (PEEK, Ultem): Für Formen mit thermischem Stress
Für einfache Vorrichtungen reichen oft PLA oder PETG, während funktionale Spritzgussformen mindestens temperaturstabile Materialien erfordern.
Rapid Tooling in verschiedenen Einsatzfeldern
1. Spritzgussvorserien:
Kleine Losgrößen von bis zu 500 Stück lassen sich mit SLA-Formen direkt gießen – ohne Serienwerkzeug.
2. Vakuumgießen:
Ein 3D-gedrucktes Mastermodell ermöglicht das Abformen von Silikonformen zur Serienreplikation.
3. Tiefziehen & Thermoformen:
FDM- oder SLS-Formen dienen als Werkzeugbasis für Heizpressen oder Vakuumtische.
4. Montagevorrichtungen:
Geometrisch komplexe Bauteilhalter lassen sich präzise und schnell per SLS herstellen.
5. Prüflehren & Messaufnahmen:
Schnell gefertigte, passgenaue Vorrichtungen erleichtern die Qualitätssicherung im Entwicklungsprozess.
CNC oder 3D-Druck? Wann welches Werkzeug?
Rapid Tooling ersetzt nicht immer den klassischen Werkzeugbau – aber ergänzt ihn perfekt:
Kriterium | 3D-Druck | CNC/konventionell |
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Zeitbedarf | 1–3 Tage | 2–6 Wochen |
Kosten | Niedrig (unter 1.000 €) | Hoch (5.000–30.000 €) |
Lebensdauer | 10–100 Teile | 10.000–100.000 Teile |
Flexibilität | Sehr hoch | Gering |
Detailtreue | Hoch (je nach Druckverfahren) | Sehr hoch |
Für Prototypen, Tests oder Pilotserien ist Rapid Tooling daher oft die ideale Lösung.
Fallbeispiel: Automobilzulieferer testet Innenraumkomponenten
Ein Zulieferbetrieb entwickelt neue Clipsysteme für Fahrzeugverkleidungen. Anstatt ein Serienwerkzeug zu fräsen, wurden 3D-gedruckte Lehren und Gussformen aus hitzebeständigem Resin eingesetzt. Innerhalb einer Woche konnten 300 Clips produziert und in echten Fahrzeugen getestet werden – inklusive Anpassungen der Geometrie und Wiederverwendung der digitalen Werkzeuge.
Grenzen des Rapid Tooling
Trotz aller Vorteile gibt es auch Einschränkungen:
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Begrenzte Lebensdauer der Werkzeuge
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Temperaturbeständigkeit kann bei Kunststoffen problematisch sein
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Druckbedingte Toleranzabweichungen müssen kompensiert werden
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Nachbearbeitung erforderlich (z. B. Glätten, Bohren, Tempern)
Trotzdem: Für viele Anwendungen in der Vorserie oder Pilotphase ist Rapid Tooling eine unschlagbare Option.
Fazit
Rapid Tooling revolutioniert den Zugang zum Werkzeugbau – schneller, günstiger, flexibler. Unternehmen müssen nicht mehr wochenlang auf Formen warten oder hohe Investitionen tätigen, um Produkte zu testen oder Kleinserien zu fertigen.
Ob als Einstieg in die Serienentwicklung, zur Kundenvalidierung oder als Lösung für individuelle Fertigungsprozesse: Werkzeuge aus dem 3D-Drucker senken die Eintrittsbarriere für Innovation – und sind ein Schlüsselbestandteil moderner Rapid Prototyping-Strategien.
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